Demokratiegeschichtliches Erbe

Königstein im Taunus – Tagungsort mit demokratiegeschichtlichem Erbe
Das vierte Treffen des Netzwerks Verfassungsstädte 2025 fand in der Villa Rothschild statt

Inmitten der waldreichen Höhen des Taunus gelegen, ist Königstein nicht nur ein traditionsreicher Kurort mit heilsamem Klima, sondern auch ein historischer Ort deutscher Demokratiegeschichte. Die Stadt, die sich bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit als bevorzugter Tagungsort profilierte, empfing Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Verwaltung zum vierten Treffen des Netzwerks Verfassungsstädte.

Königstein als Ort der Heilung – und der Entscheidung

Die idyllische Kurstadt ist seit dem 19. Jahrhundert für ihr gesundheitsförderndes Klima und ihre Lage in unmittelbarer Nähe zur Metropole Frankfurt am Main bekannt. Schon nach 1945, als Frankfurt Sitz des Hauptquartiers der amerikanischen Militärregierung war, wurde Königstein durch seine verkehrsgünstige Lage und seine ruhige Umgebung zu einem Ort für politische Beratungen und Konferenzen. Das milde Mittelgebirgsklima des Taunus galt und gilt als Quelle körperlicher und geistiger Erholung – ein entscheidender Standortvorteil, der Königstein auch für politische Weichenstellungen attraktiv machte.

Ein Ort der Verfassungsgeschichte

Die Stadt spielte eine nicht unbedeutende Rolle im Entstehungsprozess des Grundgesetzes. Die Königsteiner Konferenz der Ministerpräsidenten am 24. März 1949, abgehalten in der Villa Rothschild, fand in einer Phase politischer Unsicherheit statt: Der Parlamentarische Rat stand vor erheblichen inneren Differenzen, die Zustimmung der Militärgouverneure war ungewiss. In dieser Situation forderten die versammelten Ministerpräsidenten aus Königstein heraus einen kraftvollen Abschluss des Verfassungswerks und sprachen sich gegenüber den Alliierten für eine baldige Ratifizierung des Entwurfs aus.

Ein Zeitungsartikel aus den 1950er Jahren bezeichnete Königstein gar als „Wiege des Grundgesetzes“. Auch wenn dieser Titel vielleicht überhöht scheint, wurde er von der Bevölkerung gerne aufgenommen. Er zeugt von einem tiefen Identifikationswillen mit den demokratischen Werten und einer bewussten Erinnerungskultur, die Königstein bis heute pflegt.

Ein Tagungsort mit Geschichte – und mit Geschichte beladen

Die Wahl der Villa Rothschild als Tagungsstätte war – und ist – von hoher Symbolkraft. Ursprünglich Ende des 19. Jahrhunderts von Mathilde und Wilhelm Carl von Rothschild als Sommerresidenz errichtet, war das Anwesen lange ein kultureller Treffpunkt des deutsch-jüdischen Bürgertums. Die NS-Zeit bedeutete auch für Königstein und die jüdische Bevölkerung einen tiefen Einschnitt: Die Villa wurde enteignet, ihr Besitzer Rudolf von Goldschmidt-Rothschild zur Flucht gezwungen. Später diente das Haus NS-nahen Organisationen, darunter der „Reichsgruppe Banken“ und der Firma Lurgi, die in Zwangsarbeit und Vernichtung verwickelt war.

Nach Kriegsende wandelte sich die Villa erneut – zum Ort demokratischer Zukunft. Zunächst als Gästehaus des Länderrats genutzt, erhielt sie bald den Namen „Haus der Länder“. Heute beherbergt sie ein Hotel – und einmal mehr einen Treffpunkt für Akteure der Demokratiegeschichte.

Das Treffen des Netzwerks Verfassungsstädte

Am 29. und 30. Juli 2025 versammelten sich in der Villa Rothschild Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Städten und Institutionen, die das demokratische Erbe der Bundesrepublik sichtbar und lebendig halten wollen. Die Tagung wird geleitet von Dr. Christian Faludi, Direktor der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratiegeschichte (GEDG).

Fazit

Dass dieser bedeutende Austausch an einem Ort stattfindet, an dem sich deutsche Geschichte in besonderer Dichte widerspiegelt – von jüdischer Blütezeit über NS-Unrecht bis hin zur Neubegründung demokratischer Ordnung –, ist kein Zufall. In Königstein verdichtet sich Geschichte zu einem lebendigen Gedächtnisraum. Umso erfreulicher ist es, dass das Netzwerk Verfassungsstädte diesen symbolträchtigen Ort für sein Jahrestreffen gewählt hat.

Königstein als Ort der Demokratiegeschichte: https://www.demokratie-geschichte.de/karte/2300